Bevor ich von der Sinaiexkursion erzähle, komme ich nicht
umhin Euch einen kurzen Überblick der Ereignisse im Vorfeld zu geben. So sollen
zunächst noch von den vergangenen Lehrveranstaltungen berichtet werden. Die
erste Vorlesung war – wie bereits zu lesen war – mit Felix Körner und Ömer Özsoy.
Aus christlicher islamwissenschaftlicher Perspektive wurden die einzelnen
Themenbereiche (Offenbarungs- und Schriftverständnis; Wissenschaft und
offenbarte Vernunft; Pluralität und offenbarte Einheit; Autonomie und
offenbartes Recht) zumeist von Prof. Körner eingeführt und anschließend von
Prof. Özsoy aus innerislamischer Perspektive erläutert. Meist schloss sich
daran eine Diskussion zu den einzelnen Aussagen zwischen den beiden, aber auch
mit den Studenten an. Prof. Körner wollte vor allem die Aussage "we can be
friends in difference" nahe bringen. Prof. Özsoy, ein Vertreter der Schule
von Ankara, vertritt ebenfalls einen gewissen Pluralismus. Anhand der
Koranexegese zeigte er auf, dass jeder gottesfürchtige Mann (wörtlich für
"muslim") ein Paradies erwarten darf. Das Christentum (im Koran stellenweise
schon monotheistisch verstanden) darf sich also der Jenseitshoffnung
anschließen und gehört in seinem Glauben an den einen Gott zu der universal zu
verstehenden Religion des Islam. Zudem wurde mit einem anschaulichen Beispiel
aufgezeigt, wie sehr das Deutsche und der gewählte Übersetzungsansatz die
Aussagen des Koran verzerren kann. Der Höhepunkt der gemeinsamen Diskussion war
die Besprechung der Ringparabel. Diese wurde von verschiedenen Gruppen auf ihre
Stärken und Schwächen untersucht und eine weitere versuchte eine alternative
Parabel zu finden. Dies gelang zumindest in Teilen. Im Endeffekt stellt sich
immer noch die Frage inwieweit der interreligiöse Dialog stattfinden kann und
ob man über eine ethische Verständigung hinaus kommt. Inwieweit der Koran aus
christlicher Perspektive als Offenbarung zu verstehen ist, war ein Grundthema
der Veranstaltung. Diese Fragestellung wurde von einigen Studenten im Rahmen
eines Essays als Prüfungsleistung bearbeitet – mit ganz unterschiedlichen
Ergebnissen. Eine Zusammenfassung des katholisch-islamischen Dialogs präsentierte
Prof. Körner im Rahmen des Jerusalemer Instituts der Görres-Gesellschaft unter
den Schlagwörtern "Activities ‧ Analysis ‧ Agenda". Zuletzt konnten wir die beiden
Dozenten verabschieden und den beiden Freunden eine großartige Karikatur des
Andern mit auf den Weg geben (Ja, wir haben hier einen echten Künstler am
Start!): ein Geschenk, das Beiden große Freude bereitete.
Der ersten Exkursionswoche folgte umgehend die
zweite. Eine erste Exkursion führte uns zur Grabeskirche. Die konstantinische
Basilika wurde auf dem Forum des Hadrian errichtet, wozu Euseb schreibt, dass
man die heidnischen Steine restlos entfernen ließ und das christliche Gebäude
darauf errichtete (naja, mindestens die Substruktur musste erhalten bleiben…). Nach
archäologischen Betrachtungen und durch Kenntnis der Stadtentwicklung, kann
angenommen werden, dass Golgatha tatsächlich hier zu lokalisieren ist. Es handelt
sich hierbei um ein ehemaliges Steinbruchgebiet, wobei der übrige Steinboden
nicht mehr zum Bau verwendet werden konnte. Zudem lag das Gebiet zurzeit Jesu
außerhalb der Stadtmauer und ist somit ein wahrscheinlicher Ort der Schädelstätte.
Man könnte zudem annehmen, dass Hadrian
mit seinem Forum eine frühchristliche Gedenkstätte überbauen ließ. Die größte
Zerstörung erfuhr die ursprüngliche Basilika durch die Herrschaft von Al-Hakim,
welche wohl auch ein Auslöser des ersten Kreuzzugs darstellt. Der Wiederaufbau
durch die Kreuzfahrer ist auch heute noch erkennbar, allerdings durch die
Trennwände der letzten Renovierungsphase nicht im vollen Umfang. Unterhalb des
armenischen Bereichs, wo sich auch die Stelle der Kreuzfindung durch Helena
befindet, kann man eine alte Schiffzeichnung entdecken. Diese wird als Dank für
die Errettung aus einem Schiffbruch gedeutet, wobei unklar ist, ob die jetzt christliche
Inschrift, nicht ehemals pagan war und umgeschrieben wurde. Im sogenannten Grab
des Josef von Arimathäa kann man nochmals die typisch frühjüdischen
Stollengräber sehen. Zu Gestaltung,
Wahrnehmung, Liturgie- und Pilgerbetrieb werde ich mich äußeren, nachdem ich
einmal die Nacht darin verbracht habe. Die zweite Exkursion der Woche führte
uns zur St. Anna-Kirche. Dort kann man im hinteren Gelände, die in Joh 5 beschriebene
Badeanlage sehen. Dort können auch Überreste der byzantinischen und des Ausbaus
aus Kreuzfahrerzeit gesehen werden. Es entwickelte sich hier neben der
Erinnerung an Joh 5 ebenfalls eine Marientradition. Nicht weit davon beginnt
die Via Dolorosa. Da allerdings der herodianische Palast am Jaffator stand, und
Pontius Pilatus dort residiert haben wird, kann der historische Kreuzweg Jesu
unmöglich in der Nähe des Löwentors begonnen haben. Aber gut – die Tradition
will es halt so. In den Räumen der
Ecce-Homo-Kirche kann man neben dem Struthion-Becken, eine antike
Wassersammelstelle, auch ein ehemaliges römisches Pflaster sehen. Hier haben
wir die Besonderheit, dass man auf ihnen noch Spuren von römischen Spielen
entdecken, die wohl erst aus nachjesuanischer Zeit stammen. Bekannt ist v.a.
das Königsspiel: Dies wurde – wenn ich mich richtig erinnere – mit Sklaven
gespielt, wobei der Sieger für den restlichen Tag zum König ernannt wurde.
Daher scheint Mt 27,27ff eine historische Grundlage zu haben, auch wenn meine
"These", das Jesus der Sieger eines solchen Spiels war, eher als
Blasphemie abgetan wurde… Damit endeten
die Exkursionen mit Prof. Küchler und abends konnte sein Abschied gefeiert
werden. Unsere Geschenk bestanden dieses Mal aus verschiedensten Reliquien, die
wir zufällig gefunden haben: Neben dem Stein, den die Schriftgelehrten beinahe
auf die Ehebrecherin geworfen hätten, wenn unser Herr und Heiland dies nicht
verhindert hätte, überreichten wir ihm ebenso den Sand, auf welchem der Herr
und Heiland dabei schrieb (und nun hat
Prof. Küchler das einzige schriftliche Zeugnis des Herrn in seinem Besitz).
Auch ein Stückchen Wolle des verlorenen Schafes konnten wir weiterreichen. Ihr
seht: alles in allem ein sehr lustiger Abschlussabend zu einer überaus
spannenden und unterhaltsamen (wenn auch z.T. anstrengender) Lehrveranstaltung.
Um den Bericht noch zu verlängern, möchte ich
noch auf eine weitere Veranstaltung dieser Woche eingehen. So hielt Rabbiner
Dr. David Bollag eine "Einführung in die jüdischen Feste und das jüdische
Gebet". Da ich bereits eine ähnliche Veranstaltung besucht hatte, kam mir
vieles vertraut und wenig neu vor. Allerdings hatte man dieses Mal den Vorteil
die Betrachtung aus innerjüdisch orthodoxer Perspektive zu hören. Der
Schwerpunkt lag dabei auf den 5 biblischen Festen: Rosch Ha-Schana, Jom Kippur,
Sukkot, Pessach und Schawuot. Aufgrund der zeitlichen Nähe wurden v.a. die
ersten 3 intensiv besprochen, auch wenn wir Rosch Ha-Schana nicht erlebten, da
wir zugleich im Sinai waren. Diesem theoretischen Input soll im Anschluss auch
das praktische Erleben folgen. Ob dieses Ziel erreicht wurde, kann ich in
meinem Bericht zu Yom Kippur analysieren. Da Rabbiner Bollag uns immer mal
wieder im Studienjahr zum Judentum informieren wird, erfolgt der Abschied erst
später. Soweit ein erster eher inhaltlicher Einblick in die ersten Vorlesungen.
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